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Chancen und Herausforderungen für den Mineralöl-Mittelstand in Zeiten der Energiewende

Rede des MEW-Vorstandsvorsitzenden Walter Dornhof

Über Öl zu sprechen, ist in unserer heutigen Zeit nicht chic. Es liegt nicht im Trend. Politik und Medien interessieren sich praktisch nur noch für erneuerbare Energien innerhalb der sogenannten Energiewende. Wenn man im politischen Berlin über die traditionellen und dominierenden Energieträger diskutieren will, wird man bestenfalls geduldet. Die oftmals an den Tag gelegte Ignoranz führt meines Erachtens allerdings zu Fehlern in der Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik, worauf ich später noch einmal eingehen werde. Lassen Sie mich kurz bei den Grundlagen der Ölwirtschaft beginnen.

Deutschland ist in Europa der größte Ölverbraucher. Der Bedarf liegt nicht nur bei den Heizöl- und Kraftstoffverbrauchern, sondern auch bei der deutschen Industrie, insbesondere der Chemie, was in der politischen Diskussion auch immer gerne vergessen wird. Rückgrat unserer Versorgung sind Importe von Rohöl und Fertigprodukten.

In den zurückliegenden Jahren hat sich aber noch eine weitere Gruppe von Raffineriebetreibern herausgebildet, die weniger im Fokus steht als die traditionellen Multis. Es sind internationale Gesellschaften, die ursprünglich aus dem Handelsgeschäft kommen sowie Unternehmen mit engen Verbindungen zu Erdölproduzenten. Die heimischen Raffinerien sind heute und waren auch in der Vergangenheit nicht in der Lage, den Bedarf an Mineralölprodukten in Bezug auf die Menge und die saisonale Nachfrage zu decken. Daher hat sich ein Importhandel entwickelt. Er wird zu einem guten Teil von großen, mittelständisch-geprägten Firmen getragen.

Der Schwerpunkt der Produktimporte liegt bei Dieselkraftstoff, Flugkraftstoff und Heizöl. Bei dieser Produktgruppe tragen die konzernunabhängigen Import-Firmen immerhin um die 50% bei. Damit Massenprodukte wie Diesel, Benzin oder Heizöl immer und überall verfügbar sind, bedarf es einer ausgefeilten Tanklager-Infrastruktur. Auch hier tragen die mittelständisch geprägten, unabhängigen Unternehmen wesentlich dazu bei, dass das praktisch immer der Fall ist.

Der Mittelstand spielt auch eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Kraftstoffe und Heizöle „vor Ort“ an den Kunden zu bringen. Von den schätzungsweise rund 2.000 Heizölhandelsbetrieben gehören die meisten dem Mittelstand.

Auch stärker als landläufig vermutet, ist die Mittelstandsposition im Tankstellengeschäft. Von den über 14.000 Tankstellen in Deutschland hält der mittelständische Handel etwa 5.000, die internationalen Mineralölgesellschaften verfügen über rund 9.000. Im Mittelstandsbereich des Tankstellengeschäftes finden Sie den kleinen Unternehmer mit ein bis zwei Tankstellen, ein weites Mittelfeld mit Netzen aufwärts bis zu ca. 50 Tankstellen aber auch sehr potente Unternehmen mit einer guten dreistelligen Zahl von Stationen. Auch der Schmierstoffmarkt ist eine beachtliche Domäne des Mittelstandes. Hier finden Sie ebenfalls eine Fülle von mittelständischen Unternehmen, die Schmierstoffe herstellen und vertreiben.

Als Zwischenresumee möchte ich festhalten: Der Mittelstand im Mineralölsektor  ist weit ausgeprägter als es Otto- Normalverbraucher vermutet. Die Spanne an Aktivitäten reicht von der Einzeltankstelle bis hin zum weltweit operierenden „Mittelstands-Konzern“.

Alle diese mittelständischen Unternehmer verdienen ihr Geld in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. Und eine weiteren Punkt halte ich gerade in Bezug auf unsere Energiewende für sehr wichtig: sie alle erhalten keine Subventionen oder andere Privilegien. Und das ist für mich Unternehmertum, wie ich es mir wünsche und wie es in den Wirtschaftslehrbüchern steht.

Der starke deutsche Mittelstand im Mineralölmarkt trägt wesentlich dazu bei, dass wir in Deutschland, verglichen mit den anderen europäischen Ländern, die intensivste Wettbewerbssituation haben. Und dieses am Ende – zum Wohle des Verbrauchers. Doch wie lange wird diese Liberalität bei der Energieversorgung noch möglich sein? Vor dem Hintergrund der Energiewende schleichen sich mehr und mehr europäische und nationale Gesetzesvorgaben ein, die einen Ökodirigismus immer deutlicher  zum Vorschein kommen lassen.

Das Pariser Klimaschutzabkommen von Ende 2015 stellt die Weichen für eine neue Energiezukunft. Die sogenannte Dekabonisierung der Welt wurde beschlossen. Das ist konsequent zu Ende gedacht gleichzusetzen mit dem Ende aller Verbrennungsmotoren, Heizungskesseln, Kraftwerken und Industrieprozessen, in denen Kohlendioxid freigesetzt wird. Dabei geht Deutschland national  mit seiner Energiewende an der Spitze voran und hat sich sehr ehrgeizige Ziele zur Minderung von Emissionen gesetzt: Die klimabelastenden Emissionen sollen gegenüber dem Basisjahr 1990 bis 2050 um 80 bis 95 Prozent sinken.

Da ist dann kein oder nur wenig Platz für die großen und kleinen Öl- und Gasunternehmen mit ihren jetzigen Geschäftsmodellen. Umgesetzt werden sollen die Ziele - so das Bundesumweltministerium - durch ein langfristig angelegtes Energiekonzept. Aber wo ist es, dieses Konzept? Ich vermag es nicht zu entdecken. Und ich sehe kein Konzept, dass jenseits von CO 2 Reduzierung den Weg weist, wie das Industrieland Deutschland im Wettbewerb zu anderen Nationen der Welt erhalten werden kann,

  • wie Energien bezahlbar bleiben,  nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Bürger und  
  • wie in diesem Zusammenhang eine Energiewende sozial verträglich ausgestaltet werden kann.

Bislang sind die Klimapolitik und die Energiewende meines Erachtens nicht zu Ende gedacht worden. Öl und Erdgas sind für unseren modernen Alltag kurz-und mittelfristig unentbehrlich. In vielen Bereichen sind sie nicht oder nur über einen sehr langen Zeitraum ersetzbar! Öl sichert unsere tägliche Mobilität, ohne die keine Volkswirtschaft dieser Welt funktioniert: Nicht nur als Kraftstoff im Pkw oder, noch wichtiger, im Lastkraftverkehr, im Flugzeug oder beim Schiffsantrieb. Ohne Schmierstoffe würde auch kein Fahrrad fahren, kein Zug rollen und sich auch kein Windrad drehen.

Und ohne Öl würde in der chemischen Industrie nichts gehen, denn es steckt als chemischer Grundstoff in vielen Dingen, die wir täglich nutzen: zum Beispiel in Smartphones, Büchern, Zahnbürsten, Kosmetika und Medikamenten. Aber auch unsere modernen Windräder, würde es ohne Öl nicht geben. Das Thema Energiewende ist weit komplexer als nur über Elektromobilität nachzudenken.

Am Schluss meiner Ausführungen möchte ich deutlich betonen, dass der Mineralöl-Mittelstand die Energiewende nicht grundsätzlich als Bedrohung empfindet. Wir als Mineralöl-Mittelstand tragen die Energiewende mit und sehen natürlich auch Chancen Neues zu entwickeln. Der Mittelstand war und ist häufig genug in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands Pionier gewesen, wenn es galt , neues Terrain zu betreten. Und für die Energiewende gilt dieses unverändert. Unsere Sorge ist derzeit nur, dass wir in Deutschland einen klimapolitischen Weg beschreiten, der einzig und allein die Kohlendioxid-Reduktion zum Ziel hat und alle Wechselwirkungen, die dabei entstehen können, wie z.B. Vollbeschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit usw., ausblendet.

 Der „Wirtschaftsrat der CDU“ hat dazu kürzlich ein Positionspapier zur Energiewende publiziert. Hier einige aus meiner Sicht wesentlichen Punkte:

1.) Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatzeffekte sind von zentraler Bedeutung für die Beurteilung von Klimaschutz-zielen.
2.) Belastbare Kosten-Nutzen Analysen für Bürger und Wirtschaft sind unerlässlich
3.) Damit Innovationen nicht ausgebremst werden, ist Technologie-Offenheit unabdingbar
4.) Anstatt staatlicher Gängelung, braucht es Freiwilligkeit und damit Wettbewerb
5.) Es muss eine Investitions- und Rechtssicherheit für Unternehmen gegeben sein
6.) Deutschlands nationale Klimapolitik muss europäisch abgestimmt sein. Nationale Alleingänge sind einem gemeinsamen Europa nicht förderlich.

Damit die Freude über das Klimaabkommen von Paris anhalten kann und auch von einer breiten Schicht geteilt wird, muss eine gesellschaftliche und politische Debatte darüber stattfinden, welche Auswirkungen die Klimaziele für Gesellschaft und Industrie haben werden.

Wir als Mineralöl-Mittelstand stehen für diese Debatte bereit.

 
Walter Dornhof, Vorstandsvorsitzender des MEW, hielt den Vortrag am 2. September 2016 bei der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft

 

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