Wasserstoff

Wasserstoff gilt als das Schlüsselelement auf dem Weg zum Gelingen der Energiewende. Um aktiv zum Klimaschutz beizutragen, braucht es in der Zukunft Alternativen zu fossilen Energieträgern. Wasserstoff ist ein wahres Allround-Talent und lässt sich in verschiedenen Anwendungsbereichen einsetzen. Hierzu zählen der Wärmemarkt, der Mobilitätssektor, die Stromerzeugung und die Industrie. Die Potentiale zur Senkung von CO2-Emmissionen sollten hierbei in allen Sektoren genutzt werden. Neben den Vorteilen für das Klima und die Versorgungssicherheit haben Wasserstofftechnologien auch das Potenzial für viele zukunftsfähige Arbeitsplätze und einen globalen Milliardenmarkt.

Doch was ist das überhaupt? Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element auf der Erde. Er kommt zum Beispiel in Kombination mit Sauerstoff-Atomen als Wasser (H2O) vor. Das chemische Element wird mit dem Buchstaben H abgekürzt und ist in seiner natürlichen Form ein gasförmiger Stoff, der farblos, geruchlos und geschmacklos ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Brennstoffen ist er ungiftig. Als potenziell endlose Quelle wird er weithin als Kraftstoff der Zukunft angesehen.

Die Farbenlehre

In der Öffentlichkeit bekommt Wasserstoff oftmals eine Farbe zugewiesen. Da Wasserstoff stets ein farbloses Gas ist, stellt sich die Frage, weshalb von grünem, blauem, grauem oder rotem Wasserstoff die Rede ist. Die verschiedenen Farben geben Auskunft über die Art der Produktion. Wir möchten Ihnen die wichtigsten kurz vorstellen:

  • Grüner Wasserstoff: Der größte Hoffnungsträger für ein Gelingen der Energiewende ist der grüne Wasserstoff. Er wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Die Produktion erfolgt CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt. Die EU ist bei ihren Vorgaben für grünen Strom jedoch deutlich strikter. Über delegierte Rechtsakte möchte sie definieren, was als grüner Wasserstoff in der EU gilt. Was unser Dachverband,der MEW dazu sagt, lesen Sie hier.
  • Grauer Wasserstoff: Dies ist die herkömmliche Produktionsweise von Wasserstoff aus Erdgas. Bei der Dampfreformierung wird Erdgas erhitzt und es entstehen Wasserstoff und CO2.
  • Blauer Wasserstoff: Dieser wird wie herkömmlicher grauer Wasserstoff hergestellt. Er ist jedoch nicht im selben Umfang klimaschädlich, da das bei der Produktion entstehende CO2 eingefangen und gespeichert wird (CCS). Blauer Wasserstoff kann also als CO2-neutral betrachtet werden und kann somit ebenfalls zum Gelingen der Energiewende beitragen.

Die Wasserstoffderivate

Ein Vorteil von Wasserstoff ist, dass er sich in verschiedene andere chemische Elemente umwandeln lässt. Geschieht dies, wird von Wasserstoffderivaten gesprochen. Diese haben verschiedene Charakteristika und verschiedene Vor- und Nachteile. Die gängigsten Derivate von Wasserstoff sind Ammoniak, Methanol, LOHC und E-Fuels. Ihnen allen ist gemein, dass sie sich besser transportieren und speichern lassen, als das beim gasförmigen Wasserstoff der Fall ist. Außerdem lässt sich mit ihnen die bestehende Infrastruktur weiter nutzen. Dies ist ein großer Vorteil im Vergleich zum Umstieg auf direkte Elektrifizierung. Es wird jedoch Energie benötigt, um aus dem reinen Wasserstoff dessen Derivate herzustellen bzw. die Derivate wieder in Wasserstoff umzuwandeln. Warum sich das trotzdem lohnt:

Wasserstoff lässt sich speichern

Es herrscht Einigkeit darüber, dass wir unsere Energie in Deutschland in Zukunft erneuerbar erzeugen werden und müssen. Doch die Erzeugung von erneuerbaren Energien unterliegt großen Schwankungen. Egal, ob Photovoltaik oder Windkraft – die Sonne scheint bekanntlich in Deutschland nicht immer und auch der Wind bläst nicht zu jeder Zeit. Der große Vorteil von Wasserstoff und seinen Derivaten ist, dass er sich, im Gegensatz zu Strom, relativ leicht und langfristig speichern lässt. Er wird damit ein zentraler Baustein für eine zukünftige Versorgungssicherheit. Wie wichtig der Einsatz von Wasserstoff hierfür sein wird, zeigte auch die Veranstaltung Talking Energy: Grüner Wasserstoff und Wasserstoffträger: Elemente einer nachhaltigen und sicheren Energieversorgung“ des MEW.

Der Aufbau einer Wasserstoffspeicherinfrastruktur ist sehr wichtig für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Er sollte daher schnell, aber auch möglichst kostengünstig erfolgen. Es bietet sich daher an, auf bestehende Infrastruktur zurückzugreifen. Diese umfasst neben bestehenden Erdgasnetzen für den Transport von Wasserstoff, auch Kavernen, welche heute zur Bevorratung von fossilem Erdgas dienen, aber auch bereits vorhandene Tanklager. Diese weisen vor allem für die Speicherung von flüssigen Wasserstoffderivaten enorme Vorteile auf, denn sie sind mit der Lagerung  und dem Umgang mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen bereits heute gut vertraut. Außerdem können Tanklager, dank ihrer jahrzehntelangen Logistik- und Distributionsfunktion, zukünftig eine sichere Versorgung von Abnehmern in ihrer Region gewährleisten. Dies ermöglicht, dass auch für mittelständisch geprägte Industrieregionen die Möglichkeit besteht, auf Wasserstoff umzustellen und so an der Defossilisierung teilzuhaben.

Der Import von Wasserstoff

Die Nachfrage nach Wasserstoff steigt immens und wird mit der Einführung neuer Technologien weiter zunehmen. Aus diesem Grund haben zahlreiche Länder erhebliche Investitionen in die Wasserstoffproduktion getätigt. Das ist für Deutschland enorm wichtig, denn wir werden unseren Bedarf an grünem Wasserstoff in der Zukunft nicht allein decken können, dazu fehlt es an genügend Strom aus regenerativen Energien. Die Bundesregierung setzt daher mittlerweile auf internationale Kooperationen mit Ländern, die bessere Bedingungen für die Gewinnung von grünem Strom bzw. grünem Wasserstoff haben. Hierzu gehören beispielsweise Australien, Chile, Brasilien, Ukraine, sowie Länder in Nord-, Süd- und Westafrika.

Hierbei haben verschiedene Studien (beispielsweise hier und hier) gezeigt, dass es einen Korridor gibt, in welchem sich der Transport von gasförmigen Wasserstoff nach Deutschland per Pipeline lohnt (ca. 2000km). Wird diese Entfernung jedoch überschritten, kommen die verschiedenen Derivate des Wasserstoffs ins Spiel, da diese auch per Schiff zu transportieren sind. So ist das Verschiffen von Ammoniak bereits heute üblich und synthetische Kraftstoffe, wie E-Fuels, könnten, ohne größere Umrüstung der bestehenden Schiffsflotte, wie Produkte aus fossilem Rohöl transportiert werden.  

Die Bundesregierung hat hierfür über die Stiftung H2Global einen Mechanismus zum Einkauf von Wasserstoffderivaten aus dem außereuropäischen Ausland gefunden. Diese wird in den kommenden Jahren wasserstoffbasierten Ammoniak, Methanol und Sustainable Aviation Fuels (e-SAF) aufkaufen und in Deutschland anbieten. Hierbei handelt es sich um einen guten Mechanismus, um das sogenannte Henne-Ei-Problem zu lösen: Wer keinen Wasserstoff zum Einsetzen hat, wird keine entsprechenden Projekte und Vorhaben lancieren, wer keine Projekte und Vorhaben sieht, wird keinen Wasserstoff produzieren oder importieren. Mit einer entsprechenden Initiierung des Marktes durch den Staat, lässt sich dieses Problem umgehen. Die eingesetzten 900 Millionen Euro sind jedoch ein Betrag, der erhöht werden sollte. Für das Jahr 2023 hat die Bundesregierung außerdem eine nationale Importstrategie angekündigt. Der AFM+E hofft hier auf eine technologieoffene Strategie, die klare Mengenziele enthält und einen geografisch breit gestreuten Import anstrebt.

Wo kann Wasserstoff zur Anwendung kommen?

Wasserstoff wird seit Jahrzehnten in einer Reihe von Anwendungen eingesetzt. Erdölraffination und Düngemittelherstellung waren in der Vergangenheit die größten Wasserstoffverbraucher. Doch mit Fortschritten in der Brennstoffzellentechnologie entstehen nun neue Märkte. Wasserstoff hat zukünftig viele Anwendungsgebiete. So wird der Einsatz in bestimmten Teilen der Industrie unerlässlich sein, wenn diese dekarbonisiert werden soll. Sowohl bei der Stahl- als auch bei der Zement- und Glasproduktion ist eine Elektrifizierung der Prozesse unmöglich. Daher wird hier in Zukunft grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen müssen. Selbiges gilt für bestimmte Prozesse der Chemieindustrie.

Um die Versorgungssicherheit auch zukünftig zu gewährleisten, wird Deutschland weiterhin auf Gaskraftwerke angewiesen sein. Diese sollen Gesellschaft und Wirtschaft mit Strom versorgen, wenn es zu Dunkel- und Windflauten kommt. In Zukunft können sie mit klimaneutralen Gasen, wie Wasserstoff betrieben werden.

Auch im Wärmebereich können grüne Gase und Brennstoffe in der Zukunft eine gewichtige Rolle spielen. Es ist hierbei sowohl möglich mit grünem Wasserstoff bestehende und neue Erdgasheizungen weiter zu nutzen, als auch flüssige Brennstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff in bestehenden Ölheizungen zur Wärmegewinnung zu nutzen. Beide Verfahren haben den Vorteil, dass sie über Beimischung bereits heute zum Klimaschutz beitragen können. Wichtig ist hierbei ein technologieoffener Ansatz.

In der Mobilität gibt es für den Wasserstoff und seine Folgeprodukte viele Anwendungsmöglichkeiten. Der Verkehrssektor ist für etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Regierungen auf der ganzen Welt beginnen, Wasserstofffahrzeuge als Teil ihrer Strategien zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs bis 2030 zu nutzen.

Wasserstoff wird zum Beispiel als Ausgangspunkt für E-Fuels benötigt. Diese können helfen, die riesige Bestandsflotte von Pkw und Lkw schnell zu dekarbonisieren und sollten auch darüber hinaus als Alternative zur Elektromobilität nicht verkannt werden. Der reine Wasserstoff wird benötigt werden, um neue schwere Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Wasserstoffverbrennungsmotor zu betanken. Diese werden eine große Rolle in der Zukunft des klimaneutralen Schwerlastverkehrs spielen, denn sie bieten eine emissionsfreie Alternative mit hoher betrieblicher Flexibilität für Langstreckentransporte und gleichzeitig eine relativ kurzer Betankungszeit. Unser Dachverband, der er MEW engagiert sich hierbei in Plattformen und mit Positionspapieren und Veranstaltungen.

Wasserstoff, E-Fuels, Methanol und Ammoniak werden auch im Bereich der Luft- und Seefahrt eine gewichtige Rolle einnehmen. Es herrscht weltweite Einigkeit, dass diese Bereiche der Mobilität nicht zu elektrifizieren sind. Wollen wir also unsere Klimaziele erreichen, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Hierbei wird kein Weg am Wasserstoff und dessen Derivaten vorbeiführen.

Unsichere Rahmenbedingungen erschweren den Wasserstoffhochlauf

Alle politischen und wirtschaftlichen Akteure sind sich einig, dass am Wasserstoff in der Zukunft kein Weg vorbeiführen wird, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft lässt jedoch leider noch auf sich warten. Hierfür gibt es verschiedenste Gründe, doch es scheint Bemühungen zu geben, diese zu überwinden.

Auf nationaler Ebene gibt es seit dem Jahr 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung. In dieser soll durch einen systematischen Ansatz beleuchtet werden, „wie wir mithilfe von Grünem Wasserstoff in Industrie, Verkehr und Energiesystem unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, die Klimaschutzziele erreichen und neue Märkte erschließen können.“ Die Strategie bleibt jedoch deutlich hinter diesem Anspruch zurück. Dies hat scheinbar auch die Bundesregierung erkannt und bereitet nun ein Update der NWS vor. Auch dieses lässt jedoch klare Rahmenbedingungen vermissen und schafft somit nicht die dringend benötigte Investitionssicherheit, die gerade die mittelständischen Mitgliedsunternehmen des AFM+E benötigen. Die genaue Position des AFM+E (über den MEW) zum Update der NWS lesen sie hier.

Auf europäischer Ebene gibt es aktuell sehr viel Bewegung rund um den Wasserstoff. Die „Erneuerbare-Energien-Richtlinie II“ (RED II) nimmt über ihre delegierten Rechtsakte Einfluss auf die Grünstromkriterien für Wasserstoff und auf den Zugang zu dessen Derivaten. Insgesamt sind die hier festgelegten Kriterien sehr streng und hindern die europäische Wirtschaft daran, in der EU jetzt so richtig loszulegen. Wie es anders geht, haben die USA mit ihrem Inflation Reduction Act gezeigt. Parallel wird jedoch bereits an der RED III gearbeitet und auch diese wird wieder großen Einfluss auf die europäische Wasserstoffwirtschaft haben. Der MEW hofft auf schnelle Klarheit und unbürokratische Regelungen, um Investitionssicherheit zu gewährleisten, denn die Mitgliedsunternehmen des AFM+E stehen in den Startlöchern und wollen zum Erreichen des Ziels, Leitmarkt für international wettbewerbsfähige Wasserstofftechnologien zu werden, unterstützend beitragen. 

Ansprechpartner
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Benjamin Ost
Manager Energiepolitik und Kommunikation
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